Quality Magazine | Die Grande Dame und ihr Hofstaat
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Die Grande Dame und ihr Hofstaat

Das Peninsula ist das älteste, und auch berühmteste Hotel Hongkongs. Neben dem unaufdringlichen Luxus, der hypermodernen Technologie und dem perfekten Komfort, sind es vor allem die Mitarbeiter, die das Traditionshaus zu etwas Besonderem machen.

von Patricia Engelhorn

 

Er hatte keine Ahnung, was der Gast von ihm wollte. Als Clark Gable in die Lobby Cocktail Bar des Hotel Peninsula kam und einen „Screwdriver“ bestellte, war Johnny Chung gerade zur Bedienungshilfe avanciert und noch ein halbes Kind. Er stand alleine hinter dem Tresen und überlegte kurz, ob er einen Handwerker zur Hilfe rufen sollte. Clark Gable muss seine Verwirrung erkannt haben. Geduldig erklärte er dem Jungen die Rezeptur aus Wodka und Orangensaft, und brachte so einen bis dato unbekannten Drink nach Hongkong.

Die Lobby Cocktail Bar gibt es nicht mehr, Cartier hat die Ecke in der wohl schönsten Hotelhalle des fernen Osten mit seiner Boutique besetzt. Johnny Chung aber ist noch da. Gute 50 Jahre nach Clark Gables Besuch arbeitet er als „Senior Bartender“ in der eleganten „The Bar“ in der Belletage des Hotels. „Mein Vater war bereits im Restaurant „The Lobby“ für das Peninsula Hong Kong tätig“, erzählt er, „es war für mich klar, dass ich die Familientradition fortführen würde“.

Er ist nicht der einzige. Billy Choy und sein Bruder Boris kamen durch ihre Mutter ins „Pen“, die jahzehntelang die Wäscherei leitete und mittlerweile in Rente ist. Hon Sze Lau, der seit rund 15 Jahren die Post koordiniert, brachte seine beiden Söhne Ricky und Hugo mit, die nun auch schon über ein Jahrzehnt lang im Eingangsbereich des Peninsula tätig sind. So kam nach und nach eine einzigartige Mitarbeiter-Gemeinschaft zusammen, die im globalisierten, schnellebigen 21. Jahrhundert wie ein absoluter Anachronismus wirkt.

„Mein Vater war bereits im Restaurant ‚The Lobby’ für das Peninsula Hongkong tätig – es war für mich klar, dass ich die Familientradition fortführen würde.“ – Johnny Chung

 

Das Peninsula ist Hongkongs ältestes Hotel, es eröffnete 1928. Vieles in diesem Hotel ist pure Nostalgie: Die weitläufige, elegante Lobby mit klassischer Live-Musik und sanftem Jazz, in der jeden Nachmittag der High Tea serviert wird. Die schneeweißen Uniformen der Pagen und deren kuriose „Pillbox“-Hütchen. Die maßangefertigte, mit Milchkaffe fearbenem Leder ausgestattete und in distinguiertem „Peninsula Green“ lackierte Rolls- Royce-Flotte, mit der Gäste zum Flughafen oder zum Shopping gefahren werden. Die verschwenderischen Platzverhältnisse der 300 Zimmer und Suiten, der verschwenderische Einsatz von erlesenen Antiquitäten und Kunstobjekten, und die verschwenderische Anzahl von Angestellten, die rund um die Uhr für jeden Sonderwunsch der Gäste zur Verfügung stehen.

Die Geschichte begann in den 1880er Jahren, als sich die Brüder Ellis und Elly Kadoori in Shanghai und Hongkong niederließen. Zu ihren diversen Unternehmen gehörte unter anderem die ”Hong Kong Hotels Limited” mit prächtigen Hotels wie etwa das Repulse Bay in Hong Kong, das Astor House und das Majestic in Shanghai sowie das Grand Hotel Wagon Lits in Peking. Doch das reichte ihnen nicht: Sie beschlossen in Hongkong das ”finest hotel east of Suez” zu errichten.

1922 wurde mit dem Bau begonnen, sensationelle drei Millionen US-Dollar standen dafür zur Verfügung. Doch die Unruhen in China brachten Mitte der 1920er Jahren Generalstreiks und Verzögerungen mit sich. Das Peninsula befand sich in seiner letzten Bauphase, als britische Truppen das Haus besetzten. Im April 1928 verließ der letzte Soldat das fast fertige Gebäude, und so konnte das Hotel am 11. Dezember mit einer rauschenden Party mit über 3000 Gästen eröffnet werden. Zahllose Berühmtheiten steigen seitdem im Peninsula ab. In den 1930er Jahren logierten hier Filmstars wie Charlie Chaplin und Paulette Goddard, später folgten Elizabeth Taylor, Warren Beatty und Richard Gere, Tennessee Williams, Richard Nixon, Henry Kissinger und Prinzessin Margaret. Prinzessin Diana gehörte zur Stammklientel – sie kam per Helikopter übers Dach. Auch James Bond war schon da: In „Der Mann mit dem goldenen Colt“ betritt Roger Moore das Hotel ganz lässig durch die Halle.

Die Kadoories hätten zufrieden sein können. Doch die Familie wäre nicht so erfolgreich, gäbe es nicht stets ein noch höheres Ziel. Nun hatten sie also das schönste Hotel, jetzt sollte es auch das modernste werden. Sir Michael Kadoorie beschloss 1985 Satelliten- TV in sein Hongkonger Flaggschiff-Hotel einzuführen. Das Problem dabei war, dass diese Technologie damals in Hongkong nicht verfügbar war. Sir Michael ließ sich nicht beirren, traf
nach langer Suche einen australischen Spezialisten der es schaffte, das System zu installieren. Heute gelten die Peninsula-Zimmer als die am technisch ausgereiftesten der Welt. Was nicht bedeutet, dass man hier zwischen Digitalanzeigen und Schaltern wohnt. Eher das Gegenteil ist der Fall. Die meiste Technik ist unsichtbar und der Rest leichter zu bedienen als die Küchenuhr am heimischen Herd. So liegen keine drei Fernbedienungen auf dem Nachtisch, sondern nur eine, die TV, DVD und Radio bedient. Von einer Konsole am Bett kann jedes elektrische und elektronische Gerät im Zimmer idiotensicher bedient werden. Die Zeichen für das Öffnen und Schließen der Gardinen sind so unmissverständlich wie jene, die die Klimaanlage regeln. Ein einziger Knopfdruck schaltet sämtliche Lichter aus, inklusive jener im Bad und im Eingang. Damit in Zukunft auch Sprachmuffel zwischen „Master“ und „Mood“ unterscheiden können, wird an einem Touchpanel gearbeitet, der in verschiedene Sprachen eingestellt werden kann.

Peninsula ist weltweit die einzige Hotelgruppe, die sich eine eigene Entwicklungsabteilung leistet, in der die High Tech für das Hotelzimmer von morgen entwickelt wird. Das „Electronic Services Department“ (ESD) befindet sich in der 5. Etage eines Industrie-Gebäudes in Aberdeen, einem Stadtteil auf Hongkong Island, der nur selten von Touristen besucht wird. Dort suchen 27 Software- und Hardware-Ingenieure nach Lösungen für die ganz profanen Sorgen ihrer Gäste. Oft werden diese zufällig entdeckt: Ein Mitarbeiter beobachtete im Hotellift eine Dame, die hektisch mit den Händen wedelte um ihren frisch aufgetragenen Nagellack zu trocknen. Daraufhin wurde ein spezielles Gerät entwickelt, dass Nagellack in Sekundenschnelle trocken fönt. Jemand anderem fiel auf, dass ein Blick aus dem Fenster oft nicht ausreicht, um zu wissen, wie das Wetter draußen ist. Eine digitale Anzeige neben der Zimmertür informiert nun über Außentemperatur, Luftfeuchtigkeit, Windstärke und UV-Strahlung. Spannungsumschaltbare Steckdosen machen Adapter überflüssig, der sich steigernde Klingelton des Peninsula-Weckers sorgt für sanftes Erwachen, eine Freisprechanlage im Badezimmer erlaubt das Telefonieren aus dem Schaumbad heraus – oft sind es kleine Dinge, die den Alltag verschönern. „In Tokio installierten wir vor fünf Jahren als erstes Hotel der Welt ein Internet- Radio“, erzählt ESD-Chef Ingvar Herland, „seitdem stehen dem Gast 3000 Sender zur Verfügung“. Natürlich braucht niemand 3000 Sender, doch die Auswahl ermöglicht es dem Personal, jedes Radio individuell auf den Gast einzustellen: Wer aus Hamburg kommt, wird in seinem Zimmer deutsche Radiostationen empfangen, Japaner, Araber und Russen können ihre Landes nachrichten hören. Als absolutes Highlight gilt das neue VOIPTelefon, das kostenlose Anrufe ins Ausland ermöglicht – auch dies eine Weltneuheit, die von der ESD entwickelt wurde und in den Peninsula Hotels in Tokio und Shanghai im Einsatz ist.

Wir sind noch lange nicht am Ende unserer Möglichkeiten“, sagt Ingvar Herland, „allerdings stellt sich bei jeder neuen Entwicklung auch die Frage, wie sinnvoll sie ist“. Gut möglich, dass das ESD-Team bald eine Technik zur Verfügung stellen wird, die es ermöglicht, auf der Fahrt vom Flughafen ins Hotel auf dem I-Pad einzuchecken und das Abendessen zu bestellen. Doch wer möchte das schon? Viel schöner ist es, von Ada Tung in Empfang genommen zu werden und sich von Concierge Caren Hung ein nettes Restaurant empfehlen zu lassen.

Denn wichtiger als Radio-Sender und Digital-Anzeigen ist für das „Pen“ der persönliche Service. General Manager Rainy Chan vergleicht ihre Mannschaft mit einem eingespielten Orchester und sich selbst mit dem Dirigenten. Sie beherrscht die verschiedenen Rhythmen, die im Peninsula gespielt werden, perfekt. Sei es der Wiener Walzer, der zur Tea Time von der Lobby- Empore erklingt, sei es der coole Lounge-Sound, der am Abend im von Philippe Starck gestalteten Restaurant „Felix“ auf der 28. Etage zu hören ist. Und so schafft das Peninsula scheinbar mühelos den Spagat zwischen vorgestern und übermorgen, inklusive all dem, was dazwischen liegt und das Leben in diesem Hotel so wunderbar einfach macht.

The Peninsula Hong Kong, Salisbury Road, Kowloon, Hong Kong, Tel.
+852 29 20 28 88, www.peninsula.com

 

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