05 Dez Gipfelstürmer
Privileg liegt oft in der Zurückhaltung. Die Luxusbranche machte in den letzten Jahren eine Wandlung durch: Man befreite sich von unnötigem Ballast im vollen Verständnis, dass weniger oft mehr ist. Das „The Chedi Hotel“ in Andermatt zeigt richtungsweisend, wo die Zukunft der Branche liegt. Das ehemals verschlafene Dorf im Schweizer Hochgebirge, direkt an der traditionsreichen St. Gotthardt Passstrasse, erhielt seit der Eröffnung des Hotels in 2013 eine regelrechte Frischzellenkur. Auf dem Weg nach Italien bleiben viele Urlauber, neben den Wintersportfreaks, für einen Zwischenstopp, gerne auch außerhalb der Saison, um für ein paar Tage die Seele baumeln zu lassen. Ganz nahe am wunderschönen Nichts.
Was macht den unverkennbaren Reiz dieses Luxushotels auf höchstem Niveau aus? Service ist dann am besten, wenn man ihn gar nicht bewusst wahrnimmt. Doch dies erfordert ein Level von emphatischer Aufmerksamkeit, an dem die meisten Hotels scheitern. Das „The Chedi“ kann hier durchaus als Ausnahme gelten. Schon bei der Ankunft hat man das Gefühl, dass die Besucher und ihre persönlichen Vorlieben ernst genommen werden. Auf alles, was unnötig ist, wird verzichtet und man fühlt sich trotz Rundumbetreuung nie aufdringlich verhätschelt.
Es ist das Auge fürs Detail, das das Hotel auch in seinem Designansatz auszeichnet. Oft wird erst auf den zweiten Blick ersichtlich, wieviel Qualität in jedem einzelnen Objekt steckt. Der von Peter Zumthor geprägte Schweizer Minimalismus zeigt eine lokale Tendenz fernab biederer Heimatliebe. Die beeindruckende Geräumigkeit im Hotel wird von exquisiten Materialien hervorgehoben; selbst die Decken auf den Zimmern und Suiten sind reines Kaschmir, was nicht nur die Ästhetik, sondern auch die Klangqualität der Räume äußerst positiv beeinflusst. Schließlich ist es das Rundumerlebnis welches beim Gast ein angenehm wohliges Gefühl hervorruft und mit vielen positiven sinnlichen Wahrnehmungen verankert wird. Der Touch jeder einzelnen Materialität, der Geruch nach Holz und Feuer, oder frischen Blumen , all das sind Komponenten eines Gesamtkonzeptes, welches den Spagat zwischen minimalistischem Schweizer Lokalkolorit und japanischem Zen schafft.
Wie selbstverständlich fügen sich die asiatischen Elemente in das Ambiente ein: Alles wirkt gleichzeitig elegant, hochwertig und modern. Über die Brücke zum Schweizer Minimalismus wurde mit bewusst reduzierten Farben die Zen-artige Atmosphäre geschaffen, die den Besucher sanfte Entspannung vom hektischen Alltag ermöglicht. Über 200 Kamine bei gerade mal 123 Zimmern und Liege-Lounges in allen Bereichen ziehen insbesondere eine junge und sehr moderne Luxusklientel ins Haus.
Wer viel reist, der weiß was gut ist und kennt sich besser aus , als so mancher Hotelkritiker. Dessen ist man sich im Chedi bewusst. So ist der neueste Coup ein Skilift, der bis ans Hotel gebaut wird. Hier will man Vorreiter in der Schweiz sein und erstes Hotel, welches amerikanischen Skiservice anbietet. Ganz so wie in den weltbekannten Skidestinationen der Rocky Mountains: Aspen, Vail, Beaver Creek. Was das bedeutet? Ganz simpel, nämlich das beste Rundum-sorglos-Paket , was man sich vorstellen kann. Skischuhe werden von aparten Helferinnen gebracht, an- und ausgezogen, angewärmt, Hausschuhe gereicht. Ein Handwärmer, Glühwein oder Energieriegel sind kleine emotionale Helferlein. Also Skifahren ohne Stress und am Ende eines genussvollen Skitages am Lift Stöcke und Ski stehenlassen, denn alles wird bestens versorgt.
Die potentielle Serviceliste ist lang, aber das soll sie auch sein. Umso mehr weiß das Chedi zu überraschen. Schließlich sind es immer die kleinen Dinge die den Unterschied an Qualität und auch Luxus machen, nie die großen.
Aufzählen können wir viel, aber ein paar besondere Highlights bleiben hängen. So sind die meterhohen gläsernen Weinschränke auf den geräumigen Zimmern und Suiten mit den Lieblingsweinen der Besucher individuell ausgestattet. Ein riesiger Käse-Humidor stellt Hotelgästen tägliche eine exzellente Auswahl an u.a. raren Schweizer Bergkäse zur Auswahl. Wer den Schweizer Käse noch authentischer erleben möchte, der kann auf eine der individuell geführten Bergtouren nicht nur Heidi emotional ganz nah sein , sondern erlebt die Produktion des exzellenten Bergkäses hautnah, die läutenden Glocken der Ziegen und Kühe , die saftigen Wiesen auf denen die Tiere ein Gourmetmahl von 150 verschiedenen Kräutern pro Quadratmeter finden. Da lässt es sich auch die Ziege gerne schmecken. Auf die Alp kommt man selbstverständlich nur zu Fuß oder aber mit einer charmanten größeren Holzkiste, in der eng beieinander gehockt vier Personen auf Tuchfühlung gehen können. Doch keine Angst, denn in der Schweiz sind auch diese abenteuerlichen Bergbahnen TÜV-geprüft. Ein Anruf auf die Alp setzt das Gefährt gemütlich in Bewegung und bewahrt vor Blasen an den Füßen. Wobei das Chedi selbstverständlich auch hochfunktionale Wanderschuhe im Verleih hat.
Aktuell hat sich der Investor des Chedi entschlossen in unmittelbarer Nähe ein großes Vier-Sterne-Hotel zu bauen, welches schon fast fertig ist. Das wird der Region ganz sicher den nächsten positiven Impuls geben. Zwei sehr unterschiedliche Hotelkonzepte , die sich nur befruchten können. Wir dürfen gespannt sein.
Fotos: © Jen Ries
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