18 Jun Royale Träume neu definiert
Das Café Royal ist kein Ort, es ist eine Legende. Virginia Woolf, Oscar Wilde, Winston Churchill, Mick Jagger und Prinzessin Diana– alle kehrten sie hier ein und kamen meist betrunken wieder raus. Im Dezember 2012 wird das sagenumwobene Haus nach dreijährigen Renovierungsarbeiten wiedereröffnet: als Fünf-Sterne-Luxus Hotel.
Nicht mehr als Fünf Pfund soll der Franzose Daniel Nicholas Thévenon in der Tasche gehabt haben, als er im Jahre 1863 in London ankam. Das Vereinigte Königreich war damals noch eine unangefochtene Weltmacht und London das Epizentrum, von dem die Kolonialträume der Herrscher vorangetrieben wurden. Wie viele französische Emigranten ließ sich auch Thévenon, der vor einer Haftstrafe wegen Bankrotts aus seinem Heimatland geflohen war, im Stadtteil Soho nieder. 1865 eröffnete der Weinhändler in der berüchtigten Regent Street, deren Straßenseiten nach den Nationalitäten der Prostituierten „Dover“ und „Calais“ benannt wurden, das Café Royal. Schon bald nach der Eröffnung avancierte das Establishement, das über drei Räume verfügte, zum Lieblingsort der Londoner Bohème. Die Crème de la Crème der Künstler und Poeten gab sich hier ein Stelldichein und fröhnte bei exquisiten Speisen und dem besten Weinsortiment Londons vor allem ihrer selbst. So hielt der Schriftsteller D.H. Lawrence hier sein Abschiedsdinner, bevor er nach New Mexiko auswanderte und soll sich der Überlieferung nach auf dem Tischtuch übergeben haben. Dem Alkohol zugewandt war auch Oscar Wilde, der zu den Stammgästen des Clubs gehörte: Nach einem Absinth-Rausch wand er sich angeblich in Halluzinationen. Sicher ist, dass der irische Skandalautor hier auf den Marquess von Queensberry traf, den Vater seines späteren Liebhabers Bosie Douglas. Die erste Begegnung der Männer verläuft noch ausgesprochen vielversprechenend: Sie unterhalten sich über das Christentum und der Marquess soll Wilde sogar auf eine Lesung eingeladen haben.
Zwei Jahre später ist die Sympathie dahin. Nachdem die Gerüchte um eine Affäre seines Sohnes mit dem Schriftsteller nicht abreißen wollen, rast Quensberry in das Café und droht an, Wilde zu verprügeln, wenn er ihn noch einmal zusammen mit seinem Sohn sehen sollte. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Das Liebesverhältnis der beiden Männer provozierte im viktorianischen England einen gesellschaftlichen Skandal, der in Gerichtsprozessen und dem Niedergang Wildes mündete.
Der Erfolg des Cafés blühte indes weiter – trotz eines Mordanschlags auf einen Nachtportier Ende des 19. Jahrunderts. Zwischenzeitlich sagte man dem Club sogar nach, den besten Weinkeller der Welt zu haben. Neben Künstlern und Schriftstellern wussten das auch Politiker und königliche Repräsentanten zu schätzen. Winston Churchill soll hier 1940 gespannt und angsterfüllt auf eine Entscheidung bezüglich seiner politischen Zukunft gewartet haben. Zu den Essgewohnheiten von einem Mitglied des britischen Königshauses heißt
es in einer Anleitung für die Kellner des Clubs: „Prince of Wales, Duke of York essen öfter zu Mittag. Immer gutbürgerliches Essen, kein Gedöns“. Ob der Prince of Wales sich wohl auch für Boxsport begeiesterte? Denn auch in dieser Hinsicht schrieb das Café Royal Geschichte. Hier wurden 1867 die ersten Regel des Kampfs mit zwei Fäusten niedergeschrieben. Federführend zeigte sich hier der schon erwähnte Marquess von Queensberry, weswegen die Regeln auch als „Queensberry Rules“ bezeichnet werden. Eine Tafel weist darauf hin. Ab 1951
war das Café zudem Schauplatz von Box-Kämpfen, die der „National Sporting Club“ nach ihren „black-tie dinners“ abhielt. Eigens für die Kämpfe wurde im Club ein Box-Ring aufgestellt. An dieser, wohl kuriosesten Ecke, des Café Royal steht inzwischen ein Swimming-Pool. Sowieso hat sich vieles verändert in der Regent Street, Ecke Picadilly Park. Die goldenen swingin‘ Jahre der Boheme und Extravaganz gehören längst der Vergangenheit an und mit Ihnen auch das Café Royal als einer ihrer berühmtesten Schauplätze. Im Dezember 2008 schloss das Haus vorerst seine Pforten. Möbel und viele andere Einrichtungsgegenstände, wie Kronleuchter und auch der Boxring wurden bei einer Auktion versteigert und das Gebäude vom isrealisischen Bauunternehmen „Now Alrov“ aufgekauft. In den letzten Jahren fanden umfassende Umbaumaßnahmen zu einem Fünf-Sterne-Hotel statt. Verantwortet wurde die Umgestaltung von David Chipperfield-Architekten, die in ihren Designs sowohl der Moderne, als auch der langen Tradition des Hauses Tribut zollen. Das Café Royal Hotel gehört zur Gruppe von „The Set“-Hotels, von denen bisher nur das „Conservatorium“ in Amsterdam eröffnet hat. In Planung ist noch das „Lutetia“ in Paris.
Die Londoner Dependence der Hotelgruppe sollte eigentlich schon zu den Olympischen Spielen seine Pforten öffnen. Nach mehreren Terminänderungen startet der Hotelbetrieb nun im Dezember 2012. Zwischen 159 Suiten und Räumen können sich die Besucher dann entscheiden. Passenderweise wurden im Konzept auch 6 historische Suiten vorgesehen, die mit Raummaßen von 80 bis zu 212 qm aufwarten und Namen, wie „Marquis“, „Tudor“ oder „Empire“ tragen. In Reminiszenz an alte Zeiten gibt es zudem einen großen öffentlich zugänglichen Bereich, der von Straßengästen genutzt werden kann: Neben dem Grill- und Domino Room, die aufwendig restauriert wurden, gehören dazu ein Restaurant, ein Café und eine Bar. Und auch am Wellnessbereich wurde nicht gespart: Eine Fläche von 1200 qm steht dafür zur Verfügung. In vier Segmenten, die mit den Naturelementen korresondieren, sollen Körper und Seele zur Ruhe kommen. Dem Element Wasser sind der Pool und ein Hammam-Bereich zugeordnet, ein Fitnesscenter steht für Feuer, Yoga für die Luft und eine „Organic“ Bar für Erde. Es ist eine bewegte Vergangenheit, auf die das Café Royal zurückblickt. Was die Zukunft als Hotelbetrieb bringt, wird sich zeigen. Neue Legenden können erst ab 2013 geschrieben werden.
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